Jugendpolitischer Dialog Kindertagespflege

„Für den Ausbau der Kindertagespflege werden dringend geeignete Wohn- und Gewerberäume benötigt. Was können Berliner Politiker und Politikerinnen dafür tun?“

Am 5. Mai 2018, dem 5. Tag der offenen Tür in der Berliner Kindertagespflege, hatte der Arbeitskreis zur Förderung von Pflegekindern e.V., in dem zu dieser Zeit der Landesverband für Kindertagespflege in Berlin organisiert war, alle jugendpolitischen Sprecher/-innen, die Bezirksstadträte, die Senatsverwaltung und Vertreter von Wohnungsbaugesellschaften zu einem jugendpolitischen Dialog eingeladen. Der Dialog fand im Rahmen der bundesweiten „Woche der Kindertagespflege“ statt.

Als Vertreterinnen und Vertreter aus Verwaltung und Politik nahmen teil: Frau Staatssekretärin Sigrid Klebba (Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie), Frau Katrin Seidel (Sprecherin für Kinder-, Jugend- und Familienpolitik der Fraktion Die Linke), Frau Jessica Bießmann (Familienpolitische Sprecherin der AfD-Fraktion), Frau Bezirksstadträtin Dr. Sandra Obermeyer (Berlin-Mitte), Frau Bezirksstadträtin Carolina Böhm (Steglitz-Zehlendorf), Herr Bezirksstadtrat Gordon Lemm (Marzahn-Hellersdorf) und Herr Bezirksstadtrat Oliver Schworck (Tempelhof-Schöneberg). Als Vertreterinnen des Arbeitskreises zur Förderung von Pflegekindern e.V. waren die Vorsitzende, Frau Petra Schrödel, die stellvertretende Vorsitzende Frau Edda Gerstner und die Beirätin Frau Angelika Sauermann anwesend.
  

Bezirksstadtrat Oliver Schworck, Angelika Sauermann (Beirätin AK Pflegekinder),
Bezirksstadträtin Carolina Böhm, Bezirksstadtrat Gordon Lemm, Staatssekretä­rin Sigrid Klebba,
Petra Schrödel (Vorsitzende AK Pflegekinder), Jugendpolitische Sprecherin Katrin Seidel Fraktion Die Linke, Bezirksstadträtin Dr. Sandra Obermeyer, Moderatorin Dr. Christa Schäfer, Edda Gerstner (stellvertretende Vorsitzende AK Pflegekinder), Familienpolitische Sprecherin Jessica Bießmann AfD-Fraktion


Die Kernfragen der Veranstaltung waren:

 

  • Viele Vermieter haben Angst, dass Kindertagespflegestellen unter das Zweckentfremdungsgesetz fallen. Wie stehen die Bezirke dazu? Wie sehen Sie dies?
  • Was kann unternommen werden (bzw. was können Sie unternehmen), damit bestehende Tagespflegestellen vor Kündigung geschützt werden?
  • Können Berliner Wohnungsbaugesellschaften dazu verpflichtet werden, im Rahmen des Berliner Modells der kooperativen Baulandentwicklung, Wohnungen für Kindertagespflege bereitzustellen?
  • Immer wieder steht öffentlich geförderter Wohn- bzw. Lernraum (Schulen o.ä.) längere Zeit leer. Können derartige Räumlichkeiten der Kindertagespflege zur Verfügung gestellt werden? Wenn ja, wie können Sie unterstützen?
  • Sehen Sie eine Möglichkeit auch für die Kindertagespflege einen Preis (ähnlich dem Kitapreis) auszuloben und wie kann Kindertagespflege von der Politik mehr in den Fokus der Öffentlichkeit gestellt werden?

 

Durch die Veranstaltung führte die Moderatorin Frau Dr. Christa Schäfer.
Frau Staatssekretärin Klebba nahm als erste zu den Kernfragen der Veranstaltung ausführlich Stellung. Die Stadt sei im letzten Jahr um 41.000 Neuberliner angewachsen und entsprechend hoch ist der Bedarf an Kinderbetreuungsplätzen. Deshalb wird Kindertagespflege gebraucht und der Ausbau muss vorangetrieben werden. Allerdings würden auch viele Berliner unter der Wohnungsknappheit leiden und der Bedarf an bezahlbaren Wohnungen in Berlin steige ständig. Man müsse Verständnis für diese unterschiedlichen Interessen, die auf dem Wohnungsmarkt aufeinanderprallen, haben. Um den Tagesmüttern und -vätern das Finden einer bezahlbaren Wohnung zu erleichtern, habe die Senatsverwaltung gerade die Mietzuschüsse für die Kindertagespflege heraufgesetzt und beteilige sich mit erheblichen Summen am Aus- und Umbau von Räumen.
Um das Ausmaß der Probleme, denen sich Kindertagespflegepersonen gegenüber sehen, zu verdeutlichen, waren zwei Tagesmütter eingeladen.


Manja Adler berichtete über ihre erfolglosen Bemühungen, eine Wohnung zur Einrichtung einer Verbundpflegestelle für 10 Kinder zu finden. Ihr Resümee war, dass Berlin viele Betreuungsplätze verloren gehen, wenn Tagesmütter und -väter keine Räumlichkeiten auf dem Wohnungsmarkt finden.
Frau Kerstin Hartwig schilderte ihre Kündigung aus angemieteten Räumen und wie schwierig es war, die Kindertagespflegestelle trotz aller Widrigkeiten bis zum Bezug einer neuen Wohnung zu erhalten. Glücklicherweise fand sie einen sehr sozialen Vermieter, der es ihr ermöglichte, nach fast 2 Jahren Kindertagespflege unter schwierigsten Umständen, eine geeignete und kindgerechte Ladenwohnung zu beziehen.


Nach den Berichten entspann sich eine lebhafte Diskussion zwischen den Teilnehmenden. Bedauert wurde, dass keine Vertreter der Bauämter oder der Wohnungsbaugesellschaften anwesend waren. Allerdings wurde auch darauf hingewiesen, dass Wohnungsbaugesellschaften schon heute immense Auflagen hätten, für welche Gruppen (behinderten- und seniorengerecht, alleinerziehende junge Mütter etc.) sie Wohnungen bereithalten müssten.
Empfohlen wurde, die Wohnungsbaugesellschaften persönlich anzusprechen, um mehr Gehör für die Belange der Kindertagespflege zu finden. Kindertagespflege müsse auch präsenter in der Öffentlichkeit sein. Wirksame Werbung, wie zum Beispiel der „Tag der offenen Tür“, würde die Kindertagespflege, als gleichrangige Betreuungsform neben der Kita, bekannter machen. Außerdem sei es auch letztlich die Aufgabe der Bezirke, sich mit den Wohnungsbaugesellschaften ins Benehmen zu setzen.


Der Arbeitskreis zur Förderung von Pflegekindern e.V. - Landesverband für Kindertagespflege Berlin hatte im Vorfeld der Veranstaltung rund 630 Wohnungsbaugesellschaften und Hausverwaltungen in Berlin angeschrieben, um auf das Problem aufmerksam zu machen. Mit Gesellschaften, die sich zurückmeldeten, wurden auch schon Gespräche geführt.  Die Resonanz war sehr unterschiedlich. Einige Unternehmen boten sofort freie Gewerberäume, die für Kindertagespflege geeignet sind, an, andere baten zum Gespräch um sich über Kindertagespflege zu informieren. Es wurden aber auch zurückhaltende Stimmen laut, die darauf verwiesen, dass nicht allein die Wohnungsbaugesellschaften sondern vielmehr die Politik imstande sei, das Problem anzugehen.


So wies z.B. Herr Hilgenfeld, vom Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen, darauf hin, dass die notwendigen Bedarfe an Wohnungen nur durch ein umfassendes Maßnahmenpaket (z.B. Förderung, Quoten, Neubau, Mietrecht, Anreize, Kooperationen etc.) langfristig gedeckt werden können.
Einig war man sich auch, dass die Kindertagespflege nicht unter das Zweckentfremdungsgesetz falle. Wichtig sei, die Vermieter davon in Kenntnis zu setzen, um diese Hürde bei der Vermietung von Wohnungen abzubauen.
Es wurde vorgeschlagen, dass der Senat eine Stelle einrichtet, die eine Lotsenfunktion ausübt. Dies sollte jemand sein, der sich in der Kindertagespflege und den Institutionen auskennt und eine beratende Funktion für Eltern, Jugendamt, Vermieter und Kindertagespflegepersonen ausübt. Eventuell müsse man auch die Mietzuschüsse verändern. So sei es in einem Randbezirk durchaus möglich, noch eine bezahlbare Wohnung zu finden, in den Innenstadtbezirken könnte es aber mit den bisherigen Mietzuschüssen eng werden.


Konsens war, dass die Antworten auf die Fragestellungen sehr komplex sind und man keines der Probleme in unmittelbarer Zukunft wird lösen können. Die Idee einen Kindertagespflege-Preis, ähnlich dem Kitapreis, auszuloben wollten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Diskussionsrunde gerne mitnehmen und bedenken.
Es wurde beschlossen, weiter am Thema dran zu bleiben.

 

Medienresonanz

Eine Woche vor dem Dialog haben wir eine Pressemitteilung herausgegeben und die Medien eingeladen, an dieser Veranstaltung teilzunehmen und zu berichten. Die Berliner Abendschau kam mit einem Kamerateam zum Dialog und filmte auch in einer Kindertagespflegestelle. Der Beitrag wurde abends gesendet und kann bei der RBB-Abendschau auf Twitter noch angesehen werden:

 

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